Persönlichkeitsrecht, (Direkt-) Werbung, Kundenzufriedenheitsbefragung, mit Rechnung gekoppelte E-Mail-Werbung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in seinem Urteil vom 10.07.2018, AZ.: VI ZR 225/17, GRUR 2018, 1178, über folgenden Fall zu entscheiden: Der Kläger, eine Privatperson, bezog über die Internet-Plattform „Amazon Marketplace“ von dem beklagten Unternehmen ein technisches Gerät. Die Ware wurde ausgeliefert und erst später erhielt der Kläger von der Beklagten per E-Mail die Rechnung verbunden mit der Bitte und Aufforderung, über einen weiteren Link eine Bewertung des gekauften Gerätes, also eine sogenannte Kundenzufriedenheitsbefragung, vorzunehmen.

Die amtlichen Leitsätze zu dieser Entscheidung lauten:

  1. Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung ohne Einwilligung des Empfängers stellt grundsätzlich einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar.
  2. Eine Kundenzufriedenheitsbefragung in einer E-Mail fällt auch dann unter den Begriff der (Direkt-) Werbung, wenn mit der E-Mail die Übersendung einer Rechnung für ein zuvor gekauftes Produkt erfolgt.
  3. Dem Verwender einer E-Mail-Adresse zu Werbezwecken nach Abschluss einer Verkaufstransaktion ist es unzumutbar, bevor er auf diese Art mit Werbung in die Privatsphäre des Empfängers eindringt, diesen – wie es die Vorschrift des § 7 Abs. 3 UWG verlangt – die Möglichkeit zu geben, der Verwendung seiner E-Mail-Adresse zum Zwecke der Werbung zu widersprechen; ansonsten ist der Eingriff grundsätzlich rechtswidrig.

 

In den Urteilsgründen weist der BGH zunächst darauf hin, dass diese Art der Werbung gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG verstößt, sofern nicht die Ausnahmetatbestände zu § 7 Abs. 3 UWG (vorherige Zustimmung oder deutlicher Hinweis auf Widerspruch gegen elektronische Werbung) erfüllt sind. Der Kläger als Privatperson kann jedoch seine Klage auf diese Vorschrift nicht direkt stützen, da die Unterlassungsansprüche nach dem UWG gemäß § 8 Abs. 3 UWG nur von Wettbewerbern, Wirtschafts- oder Verbraucherverbänden geltend gemacht werden können. Ein Klagerecht von Verbrauchern im Sinne eines Individualschutzes gibt das UWG nicht.

Ein Unterlassungsanspruch des Verbrauchers ergibt sich aber aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB entsprechend. Hierzu führt der BGH in seiner Entscheidung aus:

„Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung ohne Einwilligung des Klägers stellt grundsätzlich einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Bereich privater Lebensgestaltung und gibt dem Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden.“.

Ein Unterlassungsanspruch besteht, wenn in das allgemeine Persönlichkeitsrecht rechtswidrig eingegriffen wird; dies erfordert eine Abwägung der widerstreitenden Interessen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die gesetzlichen Wertungen zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 UWG und auch die europäische Regelung zu Art. 13 Datenschutz-Richtlinie (RL 95/46/EG) über die Werbung auf elektronischem Wege heranzuziehen.

Unter Berücksichtigung dieser Vorschriften stellt der BGH auch klar, dass sogenannte Kundenzufriedenheitsbefragungen als Werbung und auch als Direktwerbung im Sinne der vorgenannten Vorschriften zu verstehen sind. Kundenzufriedenheitsabfragen sind deshalb als Werbung zu qualifizieren, weil sie auch darauf gerichtet sind, die befragten Kunden an sich zu binden und künftige Geschäftsabschlüsse zu fördern.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass diese Befragung im Zusammenhang mit der Übersendung einer Rechnung vorgenommen wurde – so der BGH.

Im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigte der BGH auch den Umstand, dass der angesprochene Kunde auf die Befragung nur eingehen konnte, indem er einem weiteren Link folgte. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht sei daher relativ gering, da der Verbraucher (Kläger) den Link einfach unbeachtet lassen könnte. Aber: Das beklagte Unternehmen hätte bei Abschluss des Kaufvertrags bereits die Einwilligung zur E-Mail-Werbung einholen können oder nach § 7 Abs. 3 UWG auf das Widerspruchsrecht gegen die Werbung deutlich hinweisen können, was nicht erfolgte. Der BGH hebt weiter hervor, dass hier der Mengeneffekt zu beachten ist:

„Der Verbraucher muss sich mit der Kundenzufriedenheitsanfrage zumindest gedanklich beschäftigen. Zwar mag sich der Arbeitsaufwand bei einer einzelnen E -Mail in Grenzen halten. Mit der häufigen Verwendung von Werbezusätzen ist aber immer dann zu rechnen, wenn die Übermittlung einzelner E-Mails mit solchen Zusätzen zulässig ist. Denn im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierungsmöglichkeit arbeitssparende Versendungsmöglichkeit und ihrer günstigen Werbewirkung ist mit einem Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen. Eine bei isolierter Betrachtung unerhebliche Belästigung kann Mitbewerber zur Nachahmung veranlassen, wobei durch diesen Summeneffekt eine erhebliche Belästigung entstehen kann.“ – so der BGH.

Dieser Mengen- oder auch Summeneffekt wird im Rahmen der Bewertung belästigender Werbung von den unteren Gerichten häufig nicht ausreichend gewürdigt.

Die Entscheidung des BGH ist streng und eindeutig. Ein Unternehmen muss entweder die ausdrückliche Einwilligung des Kunden zur zukünftigen E-Mail-Werbung einholen oder nach § 7 Abs. 3 UWG im Rahmen des Warenkaufs deutlich auf das Widerspruchsrecht hinweisen. Anderenfalls liegt ein Wettbewerbsverstoß oder ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor.

 

Dieser Text wurde erstellt von Rechtsanwalt Dr. Andreas Stute,

Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

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