Gewerblicher Rechtsschutz: Brexit – Folgen für EU-Marken- und Designrechte, Patentrecht

Die europäische Gemeinschaft erlässt Rechtsakte unter anderem in der Form der EU-Verordnungen, die in allen 28 EU-Mitgliedstaaten unmittelbar und direkt gegen den Bürgern wirksam sind und anzuwenden sind. EU-Verordnungen schaffen für jeden EU-Bürger unmittelbare Rechte, die er auch von den nationalen Gerichten einklagen kann und umgekehrt auch unmittelbar geltende Pflichten, die von den nationalen Behörden gegenüber den Bürgern direkt durchgesetzt werden können. Sobald Großbritannien in Folge des Brexit und nach Abschluss der Austrittsverhandlungen wirksam aus der EU ausgeschieden ist, werden auch dann alle EU-Verordnungen in Großbritannien ihre Wirksamkeit verlieren. Großbritannien gewinnt dann sein Souveränitätsrecht zur Rechtsetzung auf allen Rechtsgebieten der EU-Verordnungen zurück.

Bei vielen EU-Verordnungen werden die Bürger und Unternehmen in den verbleibenden 27 Mitgliedstaaten den Austritt nicht spüren. Als Beispiel kann hier das Lebensmittelrecht genannt werden, welches mittlerweile ganz überwiegend durch EU-Verordnungen geregelt wird und in dem kaum noch Raum für nationale Gesetze ist. Es sind hervorzuheben die sogenannte Basis-Verordnung, die die Grundsätze für die Herstellung und den Vertrieb gesunder Lebensmitteln legt, die sogenannte Health-Claim-Verordnung, die die Werbung mit Gesundheitsangaben regelt und die erst im Dezember 2014 in Kraft getretene Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, LMIV, die die nationalen Gesetze zur Lebensmittelkennzeichnung verdrängt und unwirksam gemacht hat. Ab dem Tag, in dem der Austritt Großbritanniens aus der EU wirksam wird, wird dann im Prinzip in Großbritannien für die hier geregelten Bereiche ein rechtsleerer Raum entstehen. Es ist dann Aufgabe der britischen Regierung und des britischen Parlaments, als Ersatz hierfür rechtzeitig nationale Gesetze zu schaffen.

Anders stellt sich jedoch die Rechtslage bei der Unionsmarkenverordnung (ehemals Gemeinschaftsmarke) und der Geschmacksmusterverordnung dar. Viele europäische Unternehmen, auch viele deutsche und britische Unternehmen haben den Gemeinschaftsmarken-Schutz, nunmehr Unionsmarken-Schutz, gewählt, um in allen 28 EU-Staaten gleichermaßen Markenschutz zu erlangen. Gleiches gilt auch das Gemeinschaftsgeschmacksmuster, in Deutschland nunmehr Designrecht genannt. Mit Vollzug des Austritts wird der Markenschutz und Designrechts-Schutz in Großbritannien entfallen – wenn es keine Übergangsregelung gibt. Entfällt der Markenschutz, müssen die Markeninhaber schnellstmöglich in Großbritannien ihre Marke als nationale Marke anmelden. Es besteht dann die Gefahr, dass es ein „Wettrennen“ zwischen Nachahmern und Markenpiraten und den eigentlichen rechtmäßigen Inhabern darum gibt, wer zuerst nationale britische Marke oder Design registriert hat.

Um diese Gefahr zu verhindern, muss in den Austrittsverhandlungen verhandelt und eine Übergangslösung geschaffen werden.

Welche Lösungsvarianten sind denkbar?

1. Variante: Man vereinbart, dass nach dem Austritt die EU-Unionsmarken-Richtlinie, EU-Unionsmarken-Verordnung und die entsprechende EU-Geschmacksmuster-Richtlinie und Verordnung unverändert in Großbritannien weiter fort gilt.

2. Variante: Die bis zum Austritt registrierten Marken und Designs behalten ihre Wirksamkeit in Großbritannien, aber danach anzumeldende Marken oder Designs müssen als nationale Rechte nach britischem Recht vorgenommen werden.

3. Variante: Man schafft eine Übergangsfrist, in der die Inhaber von Marken-und Designrechten zum Zeitpunkt des Austritts innerhalb einer bestimmten Frist erklären müssen, ob ihre Markenrechte im Wege der Abspaltung als nationale britische Marken- bzw. Designrechte fortbestehen.

4. Variante: Man trifft keine Vereinbarung und lässt die Verordnungen auslaufen mit den obigen Folgen.

Welche Variante ist wahrscheinlich?

Die Vereinbarung der 1. Variante halte ich für eher unwahrscheinlich, da sie weder im Interesse der verbleibenden EU-Mitgliedstaaten noch der derzeitigen britischen Regierung liegt. Die verbleibenden EU-Mitgliedstaaten werden sowas als „Rosinenpickerei“ abwehren, weil dann Großbritannien keine Mitgliedsbeiträge zur EU zahlt, aber gleichwohl, zumindest in diesen Bereichen, die Vorteile des einheitlichen EU-Rechts weiternutzt. Da in der britischen Regierung der Außenminister und der Minister für die Austrittsverhandlungen erklärte Wortführer des Brexit sind, werden sie ebenfalls diese Variante nicht wollen, weil dann Großbritannien auf einem sehr wichtigen Wirtschaftsgebiet unverändert seine Souveränitätsrechte nicht zurückerhielte, für die man ja gerade kämpft.

Die Vereinbarung der 4. Variante halte ich ebenfalls für unwahrscheinlich, da ein solches Verhalten der Politiker gegenüber ihren Bürgern und Unternehmen der Staaten, die sie vertreten, schlicht unverantwortlich wäre. Es wäre in gleicher Weise auch unverantwortlich seitens der britischen Politiker gegenüber britischen Unternehmen, da es auch dort, genauso wie hier, viele Unternehmen gibt, die ihren Markenschutz und Designschutz bewusst ausschließlich nur über das Unionsrecht besucht haben und keine nationalen Schutzrechte haben. Auch britische Recht würden dann dem vorgenannten „Wettrennen“ ausgesetzt.

Sehr wahrscheinlich dürfte sein, dass man eine Übergangsregelung im Sinne der 2. und 3. Varianten oder ähnlicher Rechtsgestaltungen vereinbaren wird.

Vorsicht walten lassen:

Wenn es zu einer Übergangsregelung kommt, dann wird mit Sicherheit genug Zeit bleiben, um die eigenen Marken- und Designrechte in Großbritannien zu sichern. Aber: Die betroffenen deutschen und thüringer Unternehmen, die in Großbritannien geschäftlich aktiv sind, müssen die weitere rechtliche Entwicklung genau beobachten und die Übergangsfristen im Auge behalten. Sollte man dies versäumen, könnte es höchst unangenehme Auseinandersetzungen mit Markenpiraten in Großbritannien oder gar den Verlust der Designrechte geben. Hier ist auch zu beachten, dass gerichtliche Auseinandersetzungen vor britischen Gerichten deutlich komplizierter, langwieriger und damit auch deutlich teurer sind, als wir es von unserem effektiven deutschen Rechtssystem kennen.

Um auf Nummer sicher zu gehen, empfiehlt es sich, bereits jetzt vorsorglich den nationalen, britischen Markenschutz und Designrechtsschutz zu beantragen.

Für das Markenrecht ist dies derzeit einfach möglich, da durch die oben genannte Rechtsvereinheitlichung auch in Großbritannien das gleiche Markenrecht gilt wie in allen übrigen EU-Mitgliedstaaten und weiter über das Haager Markenabkommen mit der Unionsmarke als Basismarke über das WIPO sehr leicht der international registrierte Schutz für Großbritannien beantragt werden kann.

Da im Designrecht derartiges internationales Geschmacksmusterabkommen mit Großbritannien nicht existiert, wird man im Designschutz direkt bei dem britischen Amt (GBJPO) beantragen müssen. Aber auch insoweit gilt auch einheitliches Recht.

Vorrechts- und Koexistenzvereinbarung:

Wenn der Inhaber einer älteren Marke Widerspruch gegen den Anmelder einer neuen Marke einlegt, aber die Marken ähnlich sind und gleiche oder ähnliche Warenbereiche betreffen und damit eine Verwechslungsgefahr besteht, dann ist es häufig üblich, dass die Parteien das Widerspruchsverfahren durch den Abschluss einer Abgrenzungsvereinbarung beenden. Inhalt einer solchen Abgrenzungsvereinbarung, auch Vorrechts- oder Koexistenzvereinbarung genannt, ist es regelmäßig, dass die Inhaber der alten und der neuen Marke ihre Marken weiter nutzen, aber die Benutzungsbereiche in sachlicher Hinsicht (bezogen auf die Waren- oder Dienstleistungsbereiche) oder in räumlicher Hinsicht abgegrenzt werden. Diese Vereinbarungen gelten regelmäßig zeitlich unbegrenzt (nach deutschem Recht also 30 Jahre maximal) und werden häufig auch räumlich für den gesamten Bereich der EU, möglicherweise sogar weltweit vereinbart.

Mit dem Austritt von Großbritannien wird man nun überprüfen müssen, ob diese Abgrenzungsvereinbarungen noch „passen“, insbesondere im Hinblick auf das Gebiet von Großbritannien. Hier empfiehlt es sich ebenfalls, dies kurzfristig zu überprüfen, weil es in der gegenwärtigen Situation tendenziell leichter sein dürfte, mit dem Vertragspartner eine Ergänzungsvereinbarung zu treffen. Sollte erst einmal der Austritt vollzogen sein, kann es schwierig werden, eine Ergänzungsvereinbarung zu finden, wenn der Vertragspartner dann entdeckt, dass die Abgrenzungsvereinbarung nunmehr zu seinen Gunsten eine Regelungslücke enthält.

Gestaltung von Lizenzverträgen:

Die Veränderung der Rechtslage kann auch Auswirkungen haben auf Lizenzverträge haben, insbesondere wenn sie Lizenzen gewähren für den gesamten EU-Raum. Auch hier wird es notwendig sein, mit dem Vertragspartner in Bezug auf Großbritannien eine klarstellende Ergänzungsvereinbarung zu treffen.

Für neue Lizenzverträge, die erst jetzt oder demnächst abgeschlossen werden soll, ist natürlich darauf zu achten, dass dort ausdrückliche Regelungen im Hinblick auf Großbritannien aufgenommen werden.

Schottland, Nordirland: Bekanntlich würden sich Schottland und Nordirland am liebsten von Großbritannien trennen und in der EU bleiben. Die politische Entwicklung ist derzeit überhaupt nicht absehbar, so dass sich Aussagen über das Fortbestehen gewerblicher Schutzrechte in diesen Ländern nur im Bereich der Spekulation bewegen würden.

Patentrecht:

Das europäische Patent wird auf der Grundlage des Europäischen Patentübereinkommens gewährt. Es handelt sich hierbei um ein Sonderübereinkommen, dem 38 europäische Staaten beigetreten sind. Das Europäische Übereinkommen (EPÜ) als einheitliches Patenterteilungsverfahren steht jedoch außerhalb des Rechts der Europäischen Union. Daher ist das EPÜ von dem Brexit nicht berührt. Aktuell sind jedoch die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten bemüht, auch das „einheitliche europäische Patent“ mit einem einheitlichen europäischen Patentgericht zu schaffen. Hierzu ist bereits verabschiedet die Verordnung zum einheitlichen Patentschutz, VO/EU Nr. 1157/2012. Daneben steht das Übereinkommen über ein einheitliches Europäisches Patentgericht ebenfalls kurz vor der Verabschiedung. Die Verordnung über das einheitliche europäische Patent tritt erst in Kraft, wenn auch das Übereinkommen über das einheitliche Patentgericht in Kraft gesetzt ist.

Die Verabschiedung des sogenannten „einheitlichen Patent-Pakets“, wie es der Präsident des Europäischen Patentamtes (EPA) benennt, gerät jedoch durch den Brexit ins Stocken. Im günstigsten Falle könnten auch die Briten dieses Paket nunmehr ratifizieren, wie es zwischenzeitlich auch von anderen Staaten erfolgt ist. Dies würde die Chance, so Präsident Battistelli, dass das Vereinigte Königreich auch nach dem Austritt in diesem einheitlichen europäischen Patentsystem eingebunden bleiben könnte, erhöhen. Es sei aber auch das Szenario denkbar, dass dieses einheitliche Patent-Paket auch ohne das Vereinigte Königreich in Gang gesetzt wird, was jedoch bedauerlich wäre, so Battistelli (siehe: www.epo.org/blog).

Es bleiben die Austrittsverhandlungen abzuwarten, aus denen sich erst ergeben wird, ob dieses einheitliche europäische Patentsystem mit oder ohne Großbritannien in Kraft gesetzt werden wird.

Dieser Text wurde verfasst von Rechtsanwalt Dr. Andreas Stute

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